ma.m2.2 Learning from Musmeci
Montag, 15. März 2010
S.Musmeci, Bruecke in Potenca
Thematischer Hintergrund
Das Entwurfsseminar nimmt seinen Ausgangspunkt in dem Werk des italienischen Bauingenieurs Sergio Musmeci, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von spektakuläreren und progressiven Entwürfen konzipierte und realisierte. Musmeci, aber auch die bekannteren Vertreter Pier Luigi Nervi und Carlo Mollino gehörten zu einer Gruppe von Architekten und Ingenieuren, welche in einem Dialog mit zeitgenössischer Bautechnologie wegweisenden Bauwerke errichten konnten, die sich oftmals durch eine strukturelle Expressivität auszeichneten. Der italienische Bauingenieur entwickelte in den ausgehenden 60er Jahren eine statische Formfindungsmethode, welche es ihm erlaubte komplexe Flächenverbände in Stahlbeton zu realisieren. Als herausragendes Beispiel gilt hierbei das 280m lange Brücken in Potenza, welches als materialoptimiertes Bauwerk in einer kontinuierlichen organischen Form die strukturelle Lösung von Kräften im Gleichgewicht erreichen konnte. Formfindung bei Musmeci
Im Gegensatz zu Nervi, welcher eher einer klassischen Entwurfsmethode verbunden war, die den architektonischen Entwurf als Startpunkt eines konstruktiven Optimierungsprozesses sah, war bei Musmeci das formale Resultat ein Ergebnis eines räumlichen Zusammenspiels von dreidimensionalen Kräfteverläufen. Diese lokalen Kräftekonstellationen wurden bei Musmeci in Rechnungen und Modellen analysiert und dienten der Bestimmung einer originären konstruktive Lösung welche nicht weiter statisch minimierbar war. Dieses konzeptionelle Verständnis eines Entwurfsprozesses in dem die Form durch iterative Analyseprozesse konkretisiert wird, ist erst seit kurzem integrativer Bestandteil von zeitgenössischer generativen Formfindungsmethoden. Musmecis frühe Implementierung von mathematischen und geometrischen Konzepten macht die Arbeit dieses Architekten interessant fuer einen digitalen Entwurfsansatz welcher in zunehmenden Masze generative Methoden der Formfindung in den Entwurf integrieren kann. Diese eher wissenschaftlich orientierten Entwurfsstrategie ist dabei nicht ohne Vorläufer, wie die Arbeiten von Heinrich Huebsch aus dem frühen 19. Jhd. und Gaudis Hängemodell der Colonia Güell Kirche aus den frühen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bezeugen. Strukturierte Untersuchungen in diesem Bereich von konstruktiver Formfinding finden sich auch prominent bei Frei Otto und der Arbeit des Instituts fuer leichte Flächentragewerke in Stuttgart. Seminarinhalt Die Entwurfsaufgabe soll in einem Dialog zwischen analogen und digitalen Formfindungsmethoden experimentell gelöst werden. Ziel ist dabei die Konzeption eines überbrückenden Bauwerkes, welches die Tragstruktur als eigenständigen Raum fuer komplexe räumliche Situationen begreift und programtisch einbindet. Die Integration in eine landschaftsplanerische Anlage ist frühzeitiger formgebender Faktor. Analoge Formfindungsmodellen und zeitgenössische Modellierungswerkzeuge (wie Rhino Membranes) sollen untersucht und verglichen werden. Aus entwerferisch festgelegten Randbedingungen werden so Minimalflächen generiert, welche charakteristische Eigenschaften aufweisen. (z.b. Krümmung an allen Punkten=0). Diese Flächen haben im Zuge digitaler Modelierungsmöglichkeiten an Bedeutung gewonnen und können interessante räumliche Situationen umschreiben. Das Seminar stellt historische und aktuelle Projekte vor, welche diese komplexen Strukturen realisieren konnten. wie z.B. Toyo Ito´s Taichung Opera House (2005-) oder Maillart´s Brückenbauwerke aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Seminar wird an diesen irregulären Flächenverbänden zeichnerische Darstellungsmöglichkeiten untersuchen, welche fuer eine spätere Kommunikation in Hinblick auf eine Realisierung bedeutsam sind.
Rhino Membrane Model FEA In einem weiteren Schritt sollen die so erstellten Entwürfe auf eine Realisierung als Stahlbetonbauwerk hin untersucht werden. Die doppelt gekrümmten Flächenverbände der Minimalflächen müssen deshalb in abwickelbare Einzelflächen zerlegt werden. Diese Regelflächen oder „Ruled Surface“ können geometrisch so angenähert werden, dass sie durch 2D Schneidewerkzeuge zugeschnitten werden und räumlich gefügt werden können. Das Seminar führt die geometrischen Randbedingungen fuer diese abwickelbare Flächen ein. Diese Flächen stellen eine erprobte Möglichkeit der Realisierung von komplexen Geometrien dar, die beispielsweise in der Architektur von Frank Gehry eine breite Anwendung findet. Da diese Flächen auch fuer den Entwurf des späteren Schalungsverlaufes relevant sind, bietet die geometrische Festlegung von Position und Verlauf und Ausgestaltung der Schalung eine zusätzliche Möglichkeit zu einer entwerferischen Aussage. Kompetenzen Der Entwurf thematisiert analoge und digitaler Formfindungsmethoden, entwickelt Darstellungsmöglichkeiten fuer komplexe räumliche Situationen und führt eine Reihe von wichtigen geometrischen Begriffen ein, welche im Rahmen des digitalen Entwerfens von essentieller Bedeutung sind und zur Beschreibung und Herstellung einer zeitgenössischen digitalen Formensprache benötigt werden. Der Entwurf beschreibt und untersucht Fabrikationsmöglichkeiten von solchen komplexen räumlichen Verlaufen im Rahmen von Modellen und Zeichnungen. Termin 1-22.03.10 13:15 - 14:45 * Vorstellung der Aufgabe * Vorlesung “Ingenieursmaessige Formfindung am Beispiel von Musmeci et al.“ * Besprechung der landschaftsplanerischen Untersuchung 15:15 - 18:45 * Film Heinz Emigholz „Maillart`s Brücken“ Interviews mit Prof. David P. Billington, Prof. Christian Menn und Prof. Jörg Schlaich * Begehung des Grundstückes; Schlussbesprechung
Aufgaben fuer Termin 2: * Erstellen des kollektiven digitalen und analogen 3D Geländemodell * Entwickeln des städtebaulichen Konzepts
Termin 2-05.04.10 13:15 - 14:45 * Pinup des städtebaulichen Konzepts * Vorlesung „Brückenbauwerke“ 15:15-18:45 * Einführung Rhino Membranes * Analoge und digitale Formfindung
Aufgaben fuer Termin 3: * Gegenüberstellung von 15 digitalen und analogen Minimalflächenmodellen * Erster Vorentwurf des Brückenbauwerks
Termin 3-19.04.10 13:15 - 14:45 * Vorlesung „Minimalflächen“ von Dr. Switbert Greiner 15:15- 18:45 * Pinup: Digitale und analoge Minimalflächenmodelle und Vorentwurf * Abends Vortrag Dr. Switbert Greiner, angefr.
Aufgaben fuer Termin 4: * Vertiefung des Vorentwurfs mit Rhino Membranes * Zeichnerische Darstellung ( 2D und 3D) * Analoges Modelle
Termin 4-03.05.10 13:15 - 14:45 * Vortrag „Ruled Surfaces“ 15:15 - 18:45 * Pinup Vertiefung des Vorentwurfs
Aufgaben fuer Termin 5: * Zeichnerische Untersuchungen zur Übertragung der Minimalflächen in Regelflächen (3 varianten)
Termin 5-17.05.10 13:15 - 18:45 * Vorlesung „Betonschalungen und digitales Ornament“ 15:15 - 16:45 * Pinup der Zeichnerischen Untersuchungen zur Übertragung von Minimalflächen in Regelflächen
Aufgaben fuer Termin 6: * Entwickeln eines Konzeptes fuer die Gestaltung der Betonschalungen * Zeichnerische Darstellung im Grundriss/Ansicht/Schnitt und in physischen 3D Modellen
Termin 6-31.05.10 13:15 - 14:45 * Exkurs „Gotische Kuppelgewölbe“ 15:15 - 18:45 * Pinup: Gestaltung der Betonschalungen
Aufgaben fuer Termin 7: * Konzeptbeschreibung (2000 Wörter) * Landschaftsplanerische Einbettung, Durchwegung des Entwurfs m.1/200
Termin 7-14.06.10 13:15-18:45 Grosses Pinup
Aufgaben fuer Termin 8: Erstellen der Abgabematerialien: * Einsetzmodel 1/200 * Grundrisse, Ansichten und Schnitte 1/100; 1/500 * Perspektiven * Photomontage * Formfindungsmodelle * Photographien * Model einer Schalungssituation 1/50
Termin 8-28.06.10 13:15-18:45 Abgabe und öffentliche Endpräsentation
.: Sven Pfeiffer 13:09 |